Es ist dunkel. Ich bin froh, diese dicke Jacke mit dem lederigen Äußeren und dem pelzigen Inneren zu tragen. Der dicke gestrickte Schal verhindert wirkungsvoll das Schließen des oben Jackenknopfes aber auch das Einströmen von kalter Luft. Denn kalt ist diese Luft, die da über den Luisenplatz, der von ’39 bis ’45 ‚Adolf-Hitler-Platz’ hieß, streift. Mein Bus war natürlich gerade weg als ich ankam. Natürlich. Vermessen, etwas anderes zu erwarten. Der nächste lässt auf sich warten. Mehr als die eigentlichen 15 Minuten. Aber ich bin warm angezogen. Die meisten anderen Leute um mich herum auch. Eine seltsame Stimmung legt sich, zusammen mit dem plötzlich aufkommenden Nebel über den Platz. Die Laternen bekommen helle Kugeln um ihre Lampen, Heiligenscheinen gleich. Die Menschen werden in Entfernung unscharf. Nebel eben.
Der Fahrscheinautomat mit der Nummer 125 ist nach wie vor kaputt. Das Display leuchtet, nimmt aber keine Eingabe an. Das war schon am Wochenende so. Der Automat auf der Rückseite, sie stehen dort paarweise, Rücken an Rücken, ziert sich nicht so. Die Hessische-Elektrizitäts-AG (und/oder der RMV) bekommt einen Euro fünfzig von mir.
Der Hund der Frau neben mir, beginnt unmotiviert mit dem Schwanz zu wedeln. Helles Fell durch und durch, auf dem Schwanz ein dunkler Fleck. Er schaut unbewegt in den Nebel und wedelt plötzlich. Was geht in so einem Hundeschädel vor?
An einem Brunnen zwischen dem langen Ludwig und dem Luisencenter stehen drei Punks. Oder wie auch immer die sich heute bezeichnen. Ihr Äußeres hat sie jedenfalls früher, als ich noch jung war, als ‚Punks’ klassifiziert. die Kombination aus Klamotten, Haaren, Schuhen und der Art der öffentlich konsumierten Getränke. Vielleicht wollen Sie etwas ganz anderes sein. Funktioniert dann bei mir nicht. Niemand beachtet sie. Die Leute warten auf ihre Busse und Straßenbahnen die sie endlich nach Hause bringen werden. Hinter ihre Wohnungstüren. Zu warmer Luft, zu warmem Licht, zu warmen Getränken, zu lieben und/oder geliebten Menschen. Die Punks stehen da und frieren. Müssen sie, angesichts ihrer durch und durch unzulänglichen Kleidung. Sie haben ein portables Musikabspielgerät dabei. Das tut was es soll, nämlich Musik abzuspielen. Das was sie für Musik halten. So laut, dass sie sich anschreien müssen um sich zu verständigen.
So laut aus Prinzip? Um ihrem Ruf gerecht zu werden? Um Ärger zu provozieren? Um gegen die spießigen Bürger zu protestieren? Erfolglos.
Mein Bus kommt, ich steige mit den meisten Leuten zusammen ein. Der Bus fährt ab. Hin zu warmen Zimmern und warmem Licht. Durchs Fenster sehe ich die Punks an ihrem Brunnen stehen. Frierend, schreiend.
Schönen Abend noch denke ich. Wohl wissend, dass sie vermutlich keinen haben werden. Jedenfalls nicht nach meinen spießigen, bürgerlichen Maßstäben. Aber vielleicht wollen sie das auch gar nicht. Vielleicht.
Also bei dem Wetter ziehe ich es dann doch vor, meine laute Musik in beheizten Räumen zu hören. Mit Freunden. Und Getränken. Und Karten. Spießig sein macht auch mit 23 schon Spaß, stelle ich fest.