19.11.2009
Es ging gleich nicht gut los.
Das Flugzeug sollte 14:30 Uhr starten. Als wir am Frankfurter Flughafen ankamen und einen ersten Blick auf die Anzeigetafel warfen gab es da eine Spalte die mit ‘Erwartet’ überschrieben war. Für unseren Flug stand dort eine gelbe ‘2000’. Also 20 Uhr. Die Ankunft in Varadero sollte ein kleines Stück vor 20 Uhr Ortszeit erfolgen. Ein erster, halb panischer-zuversichtlicher Gedanke war dann: ‘Okay, die wissen dass es, weiß Gott warum, ein bisschen länger dauert und das ist die zu erwartende Ankunftszeit.’
Am Gate (Koffer bereits am Vorabend aufgegeben) dann die Gewissheit: Der Flug würde nicht halb drei, sondern um acht starten. Voraussichtlich. Es sollte dann noch später werden. Hurra.
Ein Flughafenknecht verwies uns dann an einen Haltepunkt vorm Flughafen, von dem Busse alle 15 Minuten zum benachbarten Steigenberger Hotel fahren würden. Dort würden wir (all die, jetzt mit viel Zeit ausgestatteten verhinderten Kubareisenden) ein kostenloses Mittagessen erhalten.
Die Räumlichkeiten in dem die doofen Pauschalreisenden, also Menschen zweiter Klasse, essentechnisch abgefertigt wurden, befanden sich in einem laut Steigenberger 250 Jahre alten Forsthaus direkt neben dem Hotel. Das hatte man renoviert, mit dem Hotel verbunden und konnte so für asiatische (und andere) Bussinesskasper auf Durchreise eine ganz tolle urige Atmosphäre schaffen. Dass man als Förster vor 250 Jahren nicht mal eben auf einen Schlag 250 Leute zu bewirten hatte, warf natürlich ein kleines Platzproblem auf. Die ganze Meute musste zunächst noch in der Lobby des Hotels warten. Als das Essen dann fertig war, bekamen wir Plätze. Andere mussten stehend warten.
Das Essen selber kam dann, sowohl geschmacklich (Wobei es in manchen Kantinen durchaus sehr gut schmeckt.) als auch darbietungstechnisch, in einer eher kantinenartigen Form daher.
Irgendwann sind wir dann zum Flughafen zurückgefahren und haben uns dort ein bisschen umgetan. Und nicht weniger als vier Mal irgendwelche Passkontrollen passiert. In unterschiedliche Richtungen. Außerdem zwei Sicherheitskontrollen. Gegen letztere sahen die Kontrollen später auf Kuba geradezu alarmierend fahrlässig aus. Insbesondere die Verwendung der Handscanner: Die Bundespolizisten schienen jeden einzelnen Finger (auf der Suche nach implantierten thermonuklearen Bomben oder was weiß ich) zu checken. Die Kubanerinnen bei Ein- und Ausreise gingen eher halbherzig vor und beschrieben mit dem Handscanner eine unaufgeregte Kreisbewegung wenn der Detektor angeschlagen hatte. Aber dazu später mehr.
Ich hatte, wie bei der Kontrolle vor dem Flug nach London, bei einer der zwei Kontrollen natürlich wieder vergessen meinen Gürtel abzulegen. Die Schnalle besteht aus eine Menge Metall und es piepte. Naja.
Nach der Rückkehr aus dem Hotel trieben wir uns ein wenig hinter einer der Passkontrollen rum, immer mit einem Auge auf einem der Bildschirme auf dem unser Flug sehr lange ganz oben stand. Ohne Angabe von Abflugbereich und Gate. Das blieb bis ziemlich kurz vorm Boarding so. Zum Glück waren Sitzmöglichkeiten und Anzeigen so angeordnet, dass man erstere nicht nutzen und gleichzeitig zweitere sehen konnte.
Irgendwann beschlossen wir dann, nochmal in die Haupthalle des Terminals zu schlendern um dort mal die Anzeigen zu studieren oder jemand von Condor zu befragen. Also zurück durch die Passkontrolle. Der Bundespolizist fragte dann lächelnd ob es jetzt langweilig geworden sei.
Jaja, wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung. Er wusste schon Bescheid und meinte dann noch, dass die Verspätung durch irgendein defektes Teil am Flugzeug (767-300ER) beursacht sei, welches zeitaufwändig repariert würde.
Besser so, als ein plötzliches Verschwinden des Flugzeuges über dem Nordatlantik.
Eine Dame von Condor klärte uns dann auch über die Nummer des Gates auf. Die wusste sofort wes Geistes Kind wir waren und hatte die Information direkt im Kopf. Na zum Glück hatte man ja darauf verzichtet, das auch an die Anzeigetafeln zu schreiben. Bis zuletzt.
Dann eine Schlange am Gate, die zweite Sicherheitskontrolle (vorher natürlich Passkontrolle) und ein neuer Wartebereich. Im Flugzeug sprach der Kapitän dann, er fände das auch blöd würde jetzt dann gerne mal los (O-Ton: Wir müssen jetzt hier mal vom Hof kommen.), da gäbe es ja Vorschriften, was die Arbeitszeiten des (Flug)Personals angehe.
Alle saßen und es ging trotzdem noch nicht los. Lautsprecherdurchsage des Kapitäns: (sinngemäß und in englischer Sprache) Der Techniker der noch an Bord wäre, solle doch jetzt das Flugzeug bitte verlassen.
Ein kleine Weile später: Der Techniker der noch an Bord wäre, solle sich doch jetzt mal bitte im Cockpit melden.
Wieder später: Der Techniker der noch an Bord wäre, solle doch das Flugzeug jetzt sofort verlassen oder er würde mitgenommen (“Leave the plane or we will take you with us!”)
Dann ging es wirklich los. Rollfeld, Start. Es war kurz vor 21 Uhr. Nicht 14:30.
Kopfhörer gab es (“heute natürlich”) umsonst (Beim Rückflug wollten sie dann 3 Euro dafür haben. Die spinnen.).
Ein paar unterschiedliche Musikkanäle, einmal Comedy. Wer Atze Schröder da reingenommen hat, sollte mal bös verprügelt werden. An dieser Stelle: Wer Interesse an dessen (Schröders) bürgerlichen Namen hat (einfach aus Prinzip weil der Typ ein Interesse hat dass niemand diesen Namen erfährt) muss nur mal ‘Atze Schröder bürgerlicher Name’ bei Google eingeben. Auf der ersten Ergebnisseite gibt es den Namen schon in der Ergebnisliste. Das ist seit einem irritierendem Rechtsstreit des Herrn H. gegen Wikipedia so. Vorher hat keine Sau den Namen gekannt und es hat auch niemanden interessiert. Bumerang und so.
Egal. Ice Age 3 und ‘Two and a half men’ gab’s dann. Toll, hat mir aber nicht über die unerträgliche Enge in der Holzklasse hinweggeholfen. Nie wieder auf Langstrecke.
Irgendwann nach Mitternacht (Ortszeit) und knappen zehn Stunden Flug landeten wir dann auf dem internationalen Flughafen Varadero. Erster Eindruck nach Verlassen der Maschine: Es ist warm. Schwül. Drückend. Der typische Geruch eines Flughafens mit seinen charakteristischen Kerosindämpfen lag über allem.
Die Einreisekontrolle bestand aus der Überprüfung des Passes, eines Fotos jedes Delinquenten, der Ablieferung einer Hälfte der Touristenkarte und einer eher lustlos durchgeführten Durchleuchtung des Handgepäcks. Außerdem waren im Flugzeug Formulare verteilt worden, auf denen man mit Kreuzen an den vorgesehenen Stellen erklären musste dass man in einem definierten Zeitraum vor der Einreise keine Grippesymptome hatte. Schweinegrippe und so. Diese Formulare wurden ohne den Inhalt zu prüfen eingesammelt. Was die Sache natürlich recht wirkungslos machte. Denn bis sich das dann später jemand mal anschauen würde, hätte eine infizierte Person schon jede Menge Mitreisende und auch Kubaner anstecken können. Letztere trugen im Bereich bis zur Sicherheitskontrolle Atemschutzmasken.
Auf dem Weg vom Gate zur Passkontrolle sahen wir die Leute, die mit unserem Flugzeug vor wohl annähernd fünf Stunden hatten zurückfliegen wollen. Sie würden jetzt noch auf Reinigung, Auftankung und technische Überprüfung der Boeing warten müssen.
Und das Warten hatte in Frankfurt schon keinen Spass gemacht.
Nachdem die Koffer (die vor uns am Band waren) von einem trotz der nächtlichen Stunde freudig erregten Border Collie abgeschnüffelt worden waren, traten wir hinaus in die kubanische Nacht.
Von einer freundlich-fröhlichen kubanischen TUI-Vertreterin wurden wir dann zu dem Bus der unser Hotel (Die erste Station der Rundreise: NH Parque Central in Havanna) beliefern sollte, gewiesen.
Auf dem Parkplatz stand ein IFA W50 aus dem VEB Automobilwerke Ludwigsfelde (DDR) mit Bohraufsatz, den Bohrer noch im Asphalt, Helme auf dem Boden daneben, als hätten die Arbeiter zum Feierabend den Hammer fallen gelassen und waren heimgefahren. Vermutlich war es auch genau so.
Als alle auf der Liste am Bus eingetroffen waren, ging die wilde Fahrt los. Der Fahrer hielt sich nicht mit so lächerlichen Dingen wie Geschindigkeitsbeschränkungen auf und verwendete das Fernlicht exzessiv. Auch bei Gegenverkehr. War die Straße zweispurig, wurde durchweg die linke Spur benutzt. Das war kein Problem, denn ein Verkehrsaufkommen gab es nicht. Die Fahrzeuge auf der Strecke (ca. 100 km Luftlinie) konnte man an den Fingern von zwei Händen abzählen. Mehrheitlich waren es alte Lastwagen russischer Bauart die Tanks umherfuhren. Gefüllt mit Trinkwasser, wie wir später feststellen sollten.
Den Grund für die linke Spur und das Fernlicht meinten wir in den Anhaltern zu erkennen, die allenthalben rechts an der Straße standen und winkten. Mal einfach so, mal mit einem Geldschein. Die Gefahr, da mal eben einen zu übersehen, war latent.
Ich hatte mir vor der Reise einiges über das Land angelesen. Unter anderem auch dass der Strom mittels Kraftwerken erzeugt wird, in denen Schweröl verfeuert wird. Da Kuba über keine nennenswerten Ölreserven verfügt, muss dieses Öl importiert werden. Billig und unter dem Weltmarktpreis aus dem sympathisierenden Venezuela, aber billig ist nicht kostenlos. Früher gab es wohl auch immer mal wieder Stromausfälle und/oder -abschaltungen. Das ist seit diversen Kampagnen zum Energiesparen jetzt besser geworden. Um so irritierender war die Tatsache, dass nahezu auf jeder Veranda der zahllosen Häuser an denen wir auf dem Land vorbeikamen, Licht brannte. Türen und Fenster zu, die Bewohner wohl im Bett, aber mal das Licht brennen lassen.
Allerdings waren auch noch eine Menge Leute irgendwie unterwegs. Freitag früh um eins. Liefen durch die Straßen, alleine, zu zweit, in Gruppen, saßen unter Lampen an Tischen oder in Restaurants die man hier bei uns wohl als Kioske bezeichnen würde.
Während der Fahrt schauerte es einmal auch ziemlich heftig obwohl die Regenzeit vorbei war. Das Ergebnis war dann vermutlich eine ganz neue Stufe der nächtlichen Schwüle. Für uns freilich nicht – der Fahrer hatte das Innere des Busses mittels der Klimaanlage in eine Zone arktischer Kälte verwandelt. Eine Angewohnheit die uns noch öfter auffallen sollte. Die Klimaanlagen wurden fast immer aufgedreht dass es eine Art hatte. Natürlich schien es dann, wenn man den klimatisierten Raum verließ, draußen noch heißer zu sein. Zum anderen wurde natürlich ordentlich Strom verbraucht. Das versteh’ einer.
Unser Bus fuhr vor dem NH Parque Central noch zwei andere Hotels in Havanna an und spie jedes Mal einige Mitreisende aus. Zuletzt blieben mit uns noch eine Handvoll weitere Reisende übrig die auch die Komfort-Variante der Rundreise gebucht hatten. Der Gedanke an die Hotels der Standard-Variante würde uns später in Trinidad noch diverse kalte Schauer über den Rücken laufen lassen.
Die Fahrt durch das nächtliche Havanna war interessant. Hier war anteilig deutlich weniger Licht als auf dem Land zu sehen. Stellenweise hatte ich den Eindruck wir wären in einem stillgelegten Industriegebiet unterwegs. Mehr als spärliche Beleuchtung, große bröckelnde Gebäude an den Straßen.
Als ich dann aber die Silhouette der Granma erkannte, die im Garten des früheren Präsidentenpalastes und jetzigen Revolutionsmuseums ausgestellt wird, wurde mir bewusst dass wir ja doch irgendwie im Zentrum der Altstadt von Havanna waren und gleich beim Hotel sein würden.
Waren wir dann auch.
Check-in, Bett, schlafen. In wenigen Stunden würde es weitergehen.
Hallo, das ist mal ein cooler Blog! So etwas sollte es öfter geben!