In einem früheren Leben wäre ich vermutlich in jungen Jahren elend verhungert.
Mindestens bis zu dem Zeitpunkt, an dem das mit der Überflussgesellschaft eingesetzt hat, hätte ich aber auf jeden Fall ernste Probleme damit gehabt, meine Ernährung sicherzustellen.
Bekanntermaßen gab es in der Vergangenheit Zeiten, in denen man es nicht so dicke hatte. Das war zeitweise bis weit ins letzte Jahrhundert der Fall. Nach dem letzten Krieg auf deutschem Boden wurde jede Menge Hunger gelitten.
Und wenn man schon mal etwas Nahrhaftes ergattert hatte, dann wurde das auch gegessen. So ein Stück Fleisch war dann eben nicht nur Filet. Da gab’s dann sicher auch allerhand Fett und Knorpel und solches Kroppzeug.
Dinge, deren bloße Vorstellung meinen Magen veranlasst, seinen Inhalt nach oben zu pumpen. Und das ist keine Dramatisierung.
Ich kann mit diesen Dingen nichts anfangen. Fett, heißt es, ist ein Geschmacksträger. Ein Stück Fleisch soll ‘gut durchwachsen’ sein. Schinken trägt eine Fettkante. Und so weiter.
Die Liste der Merkmale, die Fleisch als ganz besonders ‘gut’ adeln, ist lang.
Und so lange ich zurückdenken kann, hat der Gedanken auf etwas anderes, als reines Fleisch zu beißen, bei mir Brechreiz ausgelöst.
Im wahrsten Sinne des Wortes. Ein schönes mageres und völlig knorpel- und sehnenfreies Stück Fleisch ist in Ordnung. Versteckt sich darin jedoch irgendetwas, das dort nicht sein sollte, wird mir schlagartig kotzübel.
Das führt dazu, dass ich viele Dinge nicht esse.
Dinge, die gemeinhin als besonders deliziös gelten.
Die diesjährige Grillsaison beginnt soeben. In den Läden liegt Fleisch jeglicher Art und Form. Auch der Klassiker: Steak.
Ich habe keine Ahnung von Steaks.
Ich weiß nicht, aus welcher Kuh man das beste Steak schneiden sollte.
Ich weiß nicht, wie man es am besten marinieren sollte.
Ich weiß nicht wie und wie lange man es am besten grillt/brät.
Ich esse keine Steaks.
Das sind meistens größere Brocken, die zwangsläufig auch mal von der einen oder anderen Fettader in variierender Ausprägung durchzogen werden.
Nichts für mich.
Eine größere Delikatesse scheint im Grillkontext Bauchspeck zu sein. Es ist mir völlig schleierhaft, wie man Fett essen kann. Denn nichts anderes ist Bauchspeck. Nämlich das Fett zwischen Haut und Muskelfleisch beim Schwein. Allein beim Gedanken daran, kringeln sich mir die Fußnägel.
Meine Aversion erstreckt sich allerdings nicht auf das Fleisch (inkl. Fett und Kram) an sich. Ich esse Hackfleisch. Obwohl das, gemischt aus Schwein und Rind, aus bis zu 35% Fett besteht. (Was täte man in diesen Tagen bloß ohne Wikipedia…)
Wird das Fleisch also in entsprechend kleine Teile zerhackt, fehlt das ich-beiße-auf-Fett/Knorpel/Sehnen-Erlebnis und ich kann es essen.
Das alles hat einige Auswirkungen.
Unsere Gesellschaft ist massiv auf den Verzehr von Fleisch ausgerichtet. Und zwar primär in Form von großen Stücken. Sonntags gibt es einen Braten, auf den Grill kommt ein mariniertes Nackensteak, das Eisbein ist gar ein vollständiges Stück Schweinebein. Mit allem was da so drin ist.
Esse ich alles nicht. Am ehesten noch eine Scheibe Braten, von der ich dann aber großzügig alles, was mir auch nur entfernt suspekt erscheint, wegschneide. Und das ist im Zweifelsfall viel. Teile, die jeder handelsübliche Mensch (ohne meine Fleischstörung) isst. Das finde ich dann allerdings schade, denn ich werfe mit dieser Vorgehensweise Kram weg, den ‘man’ essen kann. Und das ist nicht zuletzt ja auch bezahlt worden.
Deswegen neige ich dazu, mir sowas erst gar nicht auf den Teller zu packen.
Heißt: Im Restaurant nehme ich nahezu niemals eines der vermutlich am besten gehenden Fleischgerichte.
Ich nehme Fisch (Filet! Nur ohne Gräten!), Geflügel (Geflügel hat per se weniger Fett als rotes Fleisch und stellt sich für mich deutlich angenehmer dar) oder gleich etwas vegetarisches.
Wurst (Brat-, Bock-, Wiener-, etc.) geht, solange sie fein ist. So eine grobe Bratwurst, aus der mich die Fettbrocken anschauen – nein danke.
Zuhause gibt es primär Geflügel (Putenschnitzel, Hähnchenbrust etc. – Und hier ist die Gattin angehalten, jedes kleine Fitzelchen Fett o.ä. abzuschneiden), Hack oder vegetarisch.
Ich könnte ganz gut dauerhaft auf Fleisch verzichten, bin aber weit davon entfernt Vegetarier sein zu wollen.
Nichtsdestotrotz kann ich mich mit vielen Motiven der Menschen, die bewusst auf Fleisch verzichten identifizieren. In den meisten Fällen geht es wohl um die Haltung der Schlachttiere. Und wir halten viele Tiere. Der Fleischhunger eines Industrielandes ist gigantisch. Dieses Fleisch muss irgendwo herkommen. Und das tut es meistens aus Tierhaltungen, deren Bedingungen jenseits von gut und Böse sind.
(An dieser Stelle sei das Buch “Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer empfohlen.)
Immer wieder sieht man Reportagen über die Massentierhaltung. Die Tiere leben auf engstem Raum, werden mit Medikamenten im Kilogrammbereich gefüttert, sehen kaum jemals das Tageslicht und so weiter.
Neben meiner oben beschriebenen Abneigung gegen Fleisch in der Form, in der es meistens auf den Tisch kommt, fällt es mir eben auch aus diesen Gründen nicht schwer, mich im Zweifel gegen ein Stück Fleisch zu entscheiden.