Bauhaus Darmstadt.
Die Gattin und ich waren auf der Suche nach einem ansprechenden Bilderrahmen größeren Formates und warfen des weitern den einen und anderen Blick auf das ausgestellte Mobiliar für Garten, Terrasse und Balkon. Solches drohte für die anstehende Saison auf dem Balkon angeschafft zu werden. Trotz der sommerlichen Temperaturen durchlief mich, als ich der Zahlen auf den Preisschildern ansichtig wurde, ein nicht unerheblicher Schauer. Was erdreisteten sich diese rotbehemdeten, und auf dem Rücken mit dem Schriftzug „Ich helfe Ihnen“ versehenen Verkaufknechte? Für so ein paar zusammengeschraubte Holzlatten derartig viel landesübliche Währung zu verlangen, erschien mir mehr als überzogen. Der Preis schien anzudeuten dass für den Bau einer dieser Stühle, zehn Hektar Regenwald und drei Indio-Dörfer verwendet wurden. Tropisches Holz, deren Bäume auf diesem Planeten niemals mehr wachsen würden. Stattdessen war es lediglich das Holz der gemeinen Akazie. Noch nicht mal Teak! Bei den Preisen für Teakholzmöbel wollte ich endgültig in der Kettensägenabteilung verschwinden um meiner rasenden Wut ob der Diskrepanz zwischen meinem Kontostand und der Gewinnerwartung der Firma Bauhaus ein Ventil zu verleihen. Leider führt dieser Einzelhändler der Hobby-Bauarbeiter keine Eishockeymasken, so dass ich vom Nachstellen eines bekannten Filmklassikers Abstand nahm. Die Gefahr erkannt, und strafrechtlich belangt zu werden, schien mir unkalkulierbar hoch.
Egal. Während ich mich meiner Rächerphantasien hingab, hatte mich die Gattin bereits zu den Bilderrahmen geschubst. Richtig. Da war ja noch was. Wir schauten und guckten und schauten. Déjà-vu! Auch hier war man offenbar bei den Preisschildern mit der Position des Kommas ein wenig durcheinander gekommen. Ich wollte doch nicht den ganzen Laden erwerben. Sondern nur einen Bilderrahmen!
Doch der große Gott, dessen Existenz ich allerdings nicht gewillt bin zuzugeben, hatte sowieso etwas gegen unser Vorhaben. Plötzlich setzte ein denk- und merkwürdiges Geräusch ein.
Generell und global, im ganzen Baumarkt. Und jemand sagte etwas über die Lautsprecher durch. Ich hasse das ja. Zum einen diese abartige Säuselmusik die da meistens gespielt wird. Man denkt sich nichts böses, kauft aber aufgrund der unterschwelligen Psychobotschaften Material um drei Häuser zu bauen. Vom Fundament bis zum elektrisch verstellbaren Dachfenster. Außerdem, und das empfinde ich weit irritierender, wird gerne für allerlei Dinge eine Art Polizeicodesystem verwendet. Es werden Nummern ausgerufen die wiederum irgendwelche Nummern ‚tun’ sollen:
„Sechsunddreißig, bitte fünfzehn!“ – Ja. Schon klar. Ist das der Code für einen Suizid in der Gardinenabteilung oder wie oder was?
Ich schweife ab. Die Stimme erzählte etwas und ich hörte, wie immer, nicht hin. Warum auch? Meine Frau war bei mir, sie ließ mich also nicht ausrufen. Kinder hatten wir, Gott sei gepriesen, weder dabei noch überhaupt. Das Automobil stand regelgerecht auf dem Parkplatz (Sollte es jemand anfahrenderweise beschädigt haben, so würde ich ihn auch ohne ausgerufen zu werden, blutig zur Stecke bringen.). Es gab also keinen Grund sich angesprochen zu fühlen. Ein Teil der Durchsage ließ mich dann aber doch aufhorchen: „…bitten wir alle Kunden, das Gebäude zu verlassen. Bitte benutzen Sie auch die gekennzeichneten Notausgänge.“
Sprach’s und begann von vorn: „Aufgrund eines technischen Problems bitten wir alle Kunden…“
Eh? Was jetzt? Wie jetzt? Feuer? Bombendrohung? Erdbeben? Drohten Mitglieder von Tokio Hotel zu ‚singen’? Für letzteres wäre nicht das Verlassen des Gebäudes, sondern der Stadt angemessen gewesen. Andere Kunden in Form eines Paares die einen Einkaufswagen vor sich schoben kamen vorbei und schauten irritiert. Vermutlich genauso wie wir. Gehorsam und obrigkeitshörig (Sehr schöne Tugenden für die wir Deutschen ja im Ausland völlig zu Unrecht verschrien sind.) tappelten (Ein sehr schönes Wort. Mir vermittelt von K. L. aus R. a. Rh., OT. P.) wir im allgemeinen Strom der Flüchtenden dem Ausgang entgegen. Unterwegs standen besagte rotbehemdete Angestellte und winkten, wie Polizisten auf einer Kreuzung, den Kundenstrom dem ebenfalls besagten Ausgang zu. Im Kassenbereich nahm das erwähnte und gleichermaßen merkwürdige Geräusch besorgniserregende Ausmaße an. Es erhob sich dort ein Zischen und Pfeifen dass es eine Art hatte. Mit einiger Phantasie konnte man einen erstickten Feueralarm hineininterpretieren. Der Signalgeber hatte wohl schon bessere Tage gesehen und fristete nur noch ein kümmerliches Dasein als Schatten seiner selbst.
Schließlich standen die ganzen Leute auf dem Parkplatz. Von den dompteurgleichen Angestellten von den Türen und vom erneuten Eintritt in das Gebäude ferngehalten. An letzterem blinkten orangerote Alarmleuchten. Ein grossteil der vertriebenen Kunden ergriff sogleich mittels ihrer geparkten Familienkutschen die Flucht. Das Durcheinander lässt sich ermessen. Leute die kreuz und quer über den Parkplatz liefen, Autos die sich ebenso, nämlich kreuz und quer, fortbewegten und deren Fahrer jegliche Kenntnisse der Materie vermissen ließen. Bremsen, Hupen, herrlich. Wir hatten uns bei unserem Automobil eingefunden und harrten zunächst der Dinge die da nun kamen. Weg zu fahren war unmöglich, also warteten wir. Kurz darauf erscholl in der Stadt ein leises Geheul. Meine Erwartung einer lockeren Formation Indianer zu Pferde wurde jäh enttäuscht als diverse rote Fahrzeuge der Berufsfeuerwehr Darmstadt mit ohrenbetäubendem Getöse auf den Paktplatz einbogen. Autos wie Fußgänger spritzten erschrocken auseinander. Auf der Straße hielten noch zwei Fahrzuge mit Drehleitern und Feuerwehrmänner oder –frauen, man konnte es nicht so genau erkennen unter der kompletten Montur, trafen sich mit, vermutlich, Bauhaus-Verantwortlichen zu einem Tet-a-tet. Von Feuer nach wie vor weit und breit keine Spur. Von einer Möglichkeit mit dem Auto den Parkplatz zu verlassen ebenso wenig.
Dann passierte erstmal gar nichts mehr. Ich entschied derweil, die hundert Meter zum schräg gegenüber liegenden Praktiker (Die, die ständig auf dem armen Obi rumhacken.) zu Fuß zurückzulegen und dann eben dort zu kaufen was zu kaufen war. Auf diesen Trichter waren auch schon andere Leute gekommen, und Straße, Parkplatz und auch der Praktiker waren voll wie nie. Ein Schelm wer böses denkt.
Eine Stunde später kamen wir dann zum Bauhaus zurück, kauften den dussligen Bilderrahmen dann doch dort. Von Feuerwehr keine Spur. Von einem Feuer oder einem sonstigen Notfall auch nicht.
Es wäre gewiss interessant zu erfahren, was dieser Einsatz gekostet hat…