Libidopioniere

Ich bin kein Tag für eine Nacht oder: Ein Abend in Holz.

In Erwartung eines erbaulichen Kabarettabends beförderten wir uns zu neunzehnhundert zur Scheune. In der Annahme, dass der Parkplatz gut gefüllt sei, wurde ein paar Meter weiter weg auf dem in zunehmender Verwaisung begriffenen Parkplatz eines Supermarktes geparkt. Zweihundert Meter später stellte sich der Parkplatz der Scheune als irritierend gering besetzt heraus. Merkwürdig.
Kartenabriss und zweite Irritation. Die vorgesehenen Stühle für das amüsierwillige Publikum waren bereits zu zwei Dritteln befüllt. Mit eh…amüsierwilligem Publikum früheren Baujahren. Teilweise sogar sehr früh. Das fiel später auch dem Malmö auf.
Wir platzen…also platzierten uns im hinteren Mittelfeld. Ganz vorne, vor der Bühne waren noch einige Stühle frei – allein die Vorsicht vor allzu fest- und/oder flüssigstofflicher Aussprache des Vortragenden hielt uns davon ab, dort Platz zu nehmen. Zu Recht! Aber sowas von zu Recht dass es eine Art hatte, wie sich später zeigte.
Gegen viertel nach sieben betrat eine Dame die kleine Bühne der Kleinkunstbühne und verkündete Erstaunliches. Es habe bei der Drucklegung des Programmheftes der Einrichtung wie auch der Eintrittskarten zur aktuellen Belustigungsveranstaltung wohl Fehler gegeben, sie wie auch der Künstler seien von einem Beginn um zwanzig Uhr ausgegangen, das Programm wie auch die Karten würden aber neunzehn Uhr nennen. Wir hatten uns, als sich auf der Höhe der Zeit befindende junge Erwachsene selbstverständlich des INTERNETS bedient. Und dort verhieß man dem der es lesen wollte, auf der Seite des Künstlers wie auch auf der Seite der Scheune, einen Beginn um zwanzig Uhr.
Wie dem auch war – eine Menge Leute, und das erklärte die relative Fülle von Anwesenden zum Zeitpunkt unseres Erscheinens, hatten sich eben nicht der segensreichen Erfindung eines weltweiten und allumfassenden digitalen Netzes, sondern dem schnöden Papier des Programmheftes und/oder der Eintrittskarten aus dem Vorverkauf bedient. Die eben neunzehn Uhr verhießen.
Die Dame bedauerte den Fehler und schlug vor, HALB acht zu beginnen. Ob das in Ordnung wäre. Ein Kompromiss, sozusagen. Wobei das jetzt vielleicht die schlechteste Lösung war. Die Leute, die nach bestem Wissen und Gewissen zu acht kommen würden, würden möglicherweise den Anfang verpassen. Und die, die sich auf neunzehn Uhr eingerichtet hatten, hätten DIE paar weiteren Minuten auch noch warten können.
Die Frage ob man halb acht anfangen könne, war außerdem insofern ein wenig rhetorisch, da ja keiner der vielleicht noch-nicht-Anwesenden da war, um Einspruch zu erheben.
Es begann. Zunächst kurz VOR halb acht mit verstörend salzlosen Laugenbrezeln und Mineralwasser. Vor Ort erworben. Vermutlich zu Mondpreisen. Ich würde mich gerne bei dem edlen Spender ob dieses völlig überraschenden und ungewohnt manischen Anfalles von Großmut und Spendierhosigkeit bedanken, aber ich kann es nicht. Möglicherweise ergeht ja auch noch eine Rechnung, und dann wäre jeder Dank sowieso verfrüht und unberechtigt. Da es ja bekanntlich keine Liebe mehr unter den Menschen gibt, muss man auf alles gefasst sein. Aber um der Prophylaxe Genüge zu tun sei hiermit und für alle Zeiten kund getan: Meine Taschen sind voll, aber zu.
Naja – eigentlich leer, aber selbst wenn sie voll wären, wären sie trotzdem zu. So oder so.
Aber dann ging es wirklich los.
Der Meister betrat in gewohnt bärtiger Manier die Bühne und begann, vor dem Publikum, seine Artikulationsschwälle zu entwickeln. Zunächst mal eine Stunde lang ohne Punkt und Komma, unterbrochen nur durch lebensverlängernde und selbstständige Beatmungen. Und Mineralwasser in Körpertemperatur.
Das Programm war (zumindest mir) bekannt und ist in jedem gut sortierten Buchladen zumindest bestellbar. Allerdings ist so ein life-Vortrag dann doch noch mal etwas anderes.
Sich nicht auf Dächern deckende Dachdecker gaben aufgeplatzen Roßhaarmatratzen in Stammkneipen die Klinke in die Hand, Fernsehkochen riecht nicht, Radiokochen auch nicht, aber zusätzlich sieht man auch noch nichts, Toiletten in Flugzeugen können auch entmannend wirken, so der Benutzer der englischen Sprache nicht mächtig ist.
Leider hat der mit ‘Schwimmen’ übertitelte Teil der CD gefehlt. Möglicherweise sind die betreffenden Abschnitte zwischenzeitlich aus des Autors Hirn entschwunden. Der wird ja auch nicht jünger.
Ich habe sehr viel gelacht, das ansonsten noch anwesende Publikum, dessen Vorkenntnisse mir natürlich unbekannt waren, auch. Mitunter an Stellen, an denen eigentlich nichts komisches zu finden war. Zumindest nicht für meine akustische Wahrnehmung. Nach einer kleinen Pause ging’s dann nochmal etwas mehr als eine halbe Stunde mit den Vorgängen auf atomarer, mindestens aber zellularer Ebene weiter, die bei der Kontaktaufnahme zweier Personen unterschiedlichen Geschlechts, aber gleichen (pubertierenden) Alters erfolgen.
Mit den Montagehallen der Satzfabrik, Verbbänken, Wortlagern, Artikelmagazinen, Silbensilos, Satzmontage, warmen Worten, hitzigen Erwiderungen, Wehklagenlagern, Warnlampe und dem Adrenalinmolekül vom Dienst mit seinem Schwefelproviant.
Ach ja. Und mit den Libidopionieren.

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