Nach mir die Sintflut

Das Leben ist eine Sammlung von peinigenden, schier unbezwingbaren Herausforderungen die in etwa den Charme eines eingewachsenen Zehennagels oder eines zurückweichenden Haaransatzes haben.

Diese Bewertung der Sache ist sicherlich Ansichtssache, aber für viele Menschen bittere Realität. Gequält von Mysterien, deren Ergründung eher eine Aufgabe für Erich von Däniken, zumindest aber für Galileo (Ja, genau. Der Driss von ProSieben.) wäre, schleppen sie sich durch die Welt und geben Zeugnis von ihrer Überforderung, von ihrer Kapitulation vor den Unwägbarkeiten die wohl, und das muss so sein, nur geschaffen wurden, um ihnen ihre Existenz zu versalzen. Einem Schüler gleich, der in einer schweren Mathematikklausur irgend etwas schreibt und vielleicht ahnt, manchmal aber bereits verzweifelt weiß, dass er soeben großen Mist verzapft. Allein der Schüler kann schon in seiner Ahnung recht sicher sein, dass der Korrigierende kaum Punkte vergeben wird. Dass die Angelegenheit aufgrund von mangelndem Verständnis der Sache in Verbindung mit nicht ausreichendem Lernverhalten von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Hier unterscheidet sich der moderne Mensch. Er tut Dinge meistens im festen Glauben, dass sie genau so richtig seien. Weil er die Deutungshoheit besitzt. Jeweils. Jede Reflektion des eigenen Handelns bleibt aus. Warum auch nicht. Schließlich weiß doch jeder für sich: “Wo ich bin ist vorne. Und wenn ich hinten bin, ist hinten vorne.”
Das ist sicherlich eine pragmatische Einstellung. Und man kann damit ganz gut leben. Allerdings ist Pragmatismus hier nicht die Waffe der Wahl. Oder: Sollte es nicht sein. Nicht, wenn man sich nicht aufführen will, als wäre man der einzige Mensch auf der Welt. Denn wenn das jeder täte, gäbe es ein großes Hallo. Leider scheint die Zahl der Menschen die es nicht tun, stetig abzunehmen.

Einkaufswagen von Supermärkten werden gemeinhin an dafür vorgesehenen Orten gesammelt. Damit sie nicht aus ihrem Habitat ausbrechen, sind sie mit Ketten gesichert. Einer am anderen. So weit, so gut. Meistens gibt es mehr als eine Reihe. Es sind mithin mehrere nebeneinander. Diese Reihen sind meistens unterschiedlich lang. Bemerkenswert dabei ist, dass eine Menge Menschen ihren Wagen der ohnehin schon längsten Reihe übergeben. Mit der Konsequenz, dass diese Reihe irgendwann stört. Weil sie so lang geworden ist, dass sie weit auf den Parkplatz, und damit auf Flächen die eigentlich zum befahren gedacht sind, ragt. Beispielsweise. Oder weil sie eine Nutzung des Abfallbehälters unmöglich macht.
Die Leute kommen also mit ihrem Wagen, sehen dass eine Schlange ganz besonders lang ist und freuen sich dass sie nicht so weit laufen müssen. Hier: Fünf Meter weiter zur kürzeren Reihe die eingeschnappt weiter hinten zuende ist. Sie ketten ihren Wagen also an und vergrößern das Problem damit noch. Nur Minuten später kommen sie mit ihrem Auto wieder vorbei. Das heißt – nein. Sie kommen eben nicht vorbei. Weil auf ihre Seite des Weges diverse verdammte Einkaufwagen herausragen. Und der Gegenverkehr das ihm zustehende Recht der priveligierten Passage nutzt. Da stehen sie nun, zornesrot weil sie nicht vorbeikommen. Selbsterkenntnis? Keine Spur. Wozu? Sie haben alles richtig gemacht! In dem Moment als sie es taten. Dass sie selbst der Nächste sein würden, stand eben nicht auf der Rechnung. Und die Geistesleistung reicht nicht, eine Verbindung herzustellen. Jetzt ist einzig und allein das Hindernis da. Eine verdammte Verengung des Weges der sie zwingt, zu halten. Was soll das? Warum werden sie nur so gequält?

Der Supermarktwagen ist ein schönes Beispiel. Er bietet noch mehr Potential. In Form von Müll. Die Einkäufe werden zum Auto gebracht und dort verklappt. Dabei fällt auf, dass der Blumenkohl irgendwie noch über Gebühr mit Blättern bestückt ist. Was sollen die denn zuhause? Ab damit und rein in den Einkaufswagen. Mindestens zusammen mit dem Kassenbeleg und wahlweise mit Umverpackungen für die man auch keine Verwendung hat. Bei Galileo hat man sowieso mal gesehen, dass der Händler dieses Verpackungsmaterial entsorgen muss. Ha!
Der Wagen wird dann zurück zur Verwahrstelle geschoben und der auf Inhalt wartende Abfallbehälter ignoriert. Das Ergebnis sieht dann so aus, dass in jedem zweiten Wagen mindestens irgendein Papiergedönz rumliegt. Gerne dann auch gammlige Biomasse. Beim nächsten Mal ist dann die Empörung groß. Warum sind die Wagen so vermüllt? Das kann jawohl nicht sein! Schlamperei ist das! Da kann man jawohl mal etwas Service erwarten! Solche und ähnliche Aussagen ertönen. Der Wagen wird zurückgeschoben, ein anderer gewählt, oder mit spitzen Fingern vom Unrat befreit. Der dann auch gerne mal auf den Boden fliegt. Später wird der Wagen dann wiederum nicht leer zurückgestellt. Zusammenhang? Hä?

Überhaupt der Supermarkt. Hier wird sehenden Auges Blödsinn verzapft dass es eine Art hat. Die Parkplätze sind markiert. Einparken ist nicht Kernphysik und eine lockere Beachtung der Markierungen für alle Beteiligten von Vorteil.
Markierungen? Was für Markierungen? Das muss sich auch die Dame jüngst auf dem Aldi-Parkplatz gedacht haben. Beziehungsweise hat sie das nicht gedacht. Sie scheint überhaupt gar nichts gedacht zu haben. Oder vielleicht wie sie sich nur mit dem Spiegel hinter der Sonnenblende vernünftig anmalen soll, der ist doch viel zu klein. Verdammt nochmal.
Der Parkplatz befand sich am Ende einer Reihe. Auf einer Seite stand ein anderes Fahrzeug, die andere Seite war deutlich als zu befahrende Fläche ausgewiesen. Das Auto wurde dann schön schräg und immerhin zur Hälfte auf dem vorgesehenen Parkplatz abgestellt. Meine laute Bemerkung zur Gattin, wie toll hier doch wieder geparkt würde, erntete einen irritierten Blick der sich soeben von ihrem Fahrzeug entfernenden Fahrerin. Ich hätte auch sagen können, dass Plutonium zu den Transuranen gehört (was wirklich so ist). Ihr Blick (der der Fahrerin) ging kurz zurück zum Auto. Offensichtlich ohne meine Worte zu begreifen. Nach ihr die Sintflut.

Weiter geht’s. Kaffeemaschinen. Die kochen Kaffee. Das tun sie gerne, denn sie kennen und können nichts anderes. Nun sind Kaffeemaschinen seelenlose Gesellen und tun zwar was sie sollen, aber nur unter gewissen Voraussetzungen. Sie müssen über einen Filter, Kaffeepulver und Wasser verfügen. Und eingeschaltet sein. Fehlt mindestens eins dieser Dinge, wird es keinen Kaffee geben. Wenn mehrere Menschen eine Kaffeemaschine nutzen, gibt es meistens zwangsläufig und eigentlich selbstverständlich die Regel, dass derjenige, der den letzten Kaffee nimmt, auch neuen kocht. Das klappt mehr oder weniger gut. Meistens weniger.
Und die Leute, die den letzten Kaffee nehmen und dann weggehen, sind dann auch die, die am lautesten schreien wenn sie mal eine leere Kanne vorfinden. Dann aber auch keinen neuen Kaffee kochen, sondern eher vor Wut und Zorn kochend weggehen. Irgend jemand hat den verdammten Kaffee weggesoffen und keinen neuen angestellt! Verdammt nochmal! Was soll das? Diverse Sprichwörter über gegenseitige Ereignisse und Wälder mit guter Akustik sind dann schnell vergessen. Und beim nächsten Mal wird wieder der letzte Kaffee genommen, ohne dass die dann leere Kanne irgend eine Tätigkeit auslösen würde.
Die Liste ließe sich noch ewig fortsetzen. Leute tun Dinge (oder eben nicht) irgendwie, ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde darüber nachzudenken. Kein Gedanke wird an Konsequenzen verschwendet. Da wird im dichtesten Gedränge unvermittelt stehen geblieben, um sich anschließend darüber aufzuregen dass die nachfolgenden Leute sich zwangsläufig als große Hackentreter betätigen und so weiter.

Noch ein Beispiel gefällig?
Am Hauseingang unserer Residenz hat die Firma der das Gebäude gehört, einen Papierkorb aufgestellt. Wie bei jedem Eingang zu den Einheiten der Anlage. Mit einem Schild, dass man dort doch bitte nur Papier einwerfen möge. Hintergrund ist die tägliche Flut von unaufgefordert eingeworfener Werbung. Der geneigte Briefkastenentleerer kann das unerwünschte Papier direkt vor Ort entsorgen. Der Hausmeister leert den Kübel dann gelegentlich in die Papiertonne.
Theoretisch. Denn immer wieder findet sich im Papierkorb allerhand Restmüll. Gerne auch Flaschen und/oder organische Abfälle. Aufgrund des mangelnden Publikumsverkehrs sind diese Hinterlassenschaften mit hoher Sicherheit den Hausbewohnern zuzuordnen. Die quasi ihr eigenes Nest beschmutzen. Mit der Konsequenz dass der Hausmeister den Papierkorb letztendlich vermutlich in eine der Restmülltonnen kippt. Ebenso verständlich wie ärgerlich. Denn letztendlich treibt das auf Dauer die Kosten für die Müllentsorgung hoch. Für alle im Haus. Weil ein paar Deppen wo sie gehen und stehen, ihren Kram fallen lassen. Und denken (sofern sie überhaupt denken) dass das richtig sei. Aber vermutlich muss man schon froh sein, dass der Kram überhaupt in einem wie auch immer gearteten (und hier falschen) Müllbehälter landet.
Es heißt, der Mensch würde nur einen kleinen Teil seines Gehirns nutzen. Eine große Mehrheit tut noch nicht mal das, verwendet aber viel Energie, sich über die Folgen der eigenen (und fremden) Gedankenlosigkeit aufzuregen.

Nachtrag
Auf Wunsch eines einzelnen Herrn jetzt mit Absätzen© ® ™ ℠.

2 Antworten auf „Nach mir die Sintflut“

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