Erklärbär

Die Landtagswahl in Baden-Württemberg ist vorbei. Das Ergebnis ist ein Schlag ins Gesicht für die Union. Anders lässt sich die Tatsache, dass wohl bald der erste grüne Ministerpräsident ausgerechnet in Stuttgart, im Ländle, regieren wird, nicht bezeichnen. Nicht an den traditionellen Feind, die SPD, wurde das Land verloren. Die SPD ist zwar fast so stark wie die Grünen es sind, aber eben nur fast.

Zu nah war Fukushima. Mappus hat sich in den Wind gedreht und verloren. Vielleicht ein schönes Zeichen für die der Atomlobby hörigen Bundesregierung. Die zunächst rücksichtslos eine Laufzeitverlängerung durchpeitschte und später in hektischen und gegenteiligen Aktionismus verfiel.

Aber die Chancen stehen gut für die Union. Der gemeine Wähler vergisst schnell. Lässt sich gut und nachhaltig einlullen. Die Zeit ist auf der Seite derer, die Dreck am Stecken haben. Man wird sehen.

Bei der Union werden jetzt Wunden geleckt. Und schöngeredet.
Der hessische Ministerpräsident von Roland Kochs Gnaden Volker Bouffier sprach heute früh mit dem Moderator der hr1-Morgensendung. Schützenhilfe für die waidwunde Union in BaWü.
Und er hatte allerhand an seichten Argumenten und durchsichtigen Ausreden zu bieten.

Sinngemäß: Man müsse erst noch analysieren, wer da jetzt wen gewählt habe. Nach den ersten Auswertungen seien es vor allem die vorherigen Nichtwähler gewesen, die für die Grünen gestimmt hätten. Die Union hätte also de facto kaum Wähler verloren.

Neben der üblichen Schönfärberei offenbart das ein geradezu eklatantes Missverständnis der Demokratie. Dass hierzulande eine überbordende Politikverdrossenheit herrscht, ist kein Geheimnis. Die Leute sehen oft keinen Sinn darin, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Es ändere sich ja doch nichts. Man kennt diese Argumente. Vielfach drängt sich dann durchaus auch der Eindruck einer Wahl zwischen Pest und Cholera auf.
Das Wahlrecht ist ein Recht und keine Pflicht. Das wäre auch praktisch nicht zielführend durchsetzbar. Deshalb bleibt immer nur der Appell an die Leute, wählen zu gehen. Und es wenigstens zu versuchen.

In Baden-Württemberg lag die Wahlbeteiligung bei 66%. Gegenüber 53% bei der letzten Wahl 2006. Das ist schön. Deutlich mehr Menschen als 2006 haben sich bemüßigt gefühlt, zu wählen. Aus unterschiedlichen Gründen, angeführt vermutlich durch die Themen Stuttgart21 und die Atomkraft-Debatte.
Die Gründe sind letztendlich egal. Die Menschen haben gewählt.
Je höher die Wahlbeteiligung, desto besser für den Anspruch der Demokratie.

Bouffier ‘entschuldigt’ das schwache Abschneiden der Union in BaWü nun damit, dass ja plötzlich Menschen gewählt haben, die das vorher nicht getan haben.

Dabei ist genau das eine vollständig positive Entwicklung. Wenn wir nur die Leute wählen lassen würden die schon immer die Union gewählt haben, gibt es natürlich ein schönes Ergebnis aus der Sicht der Union. Aber aus der Sicht der Demokratie als solcher ist das Ergebnis, wie es auch aussehen mag, am besten, wenn so viele Menschen wie möglich abstimmen. In diesem Land gibt es das Prinzip der Volkssouveränität.

Dass die vorherigen Nichtwähler sich nicht für die Union entschieden haben – nun ja. Das ist eine ganz andere Baustelle und sollte den feinen Damen und Herren zu denken geben.

Ein weiteres Bonmot Bouffiers ließ mich um Haaresbreite in mein Glas Milch erbrechen (sinngemäß): Der arme Herr Mappus wäre ja nun nicht so lange im Amt gewesen [knapp über einem Jahr] und hätte kein Zeit gehabt, den Wählern seine Politik und generell die der Union zu erklären.

Wie viel Zeit braucht es, um das was die da treiben zu erklären?
Und sprechen nicht die Taten für sich?
Was gibt es da noch zu erklären? Und was genau meinte er mit ‘erklären’? Erklären im Sinne von ‘überreden’?

Wenn ein Wähler das was eine Partei treibt nicht befürwortet, wählt er sie nicht. Das ist eine Willensäußerung die sich so leicht nicht ‘wegerklären’ lässt.
Das läuft nach dem SISO-Prinzip. Shit in, shit out.
Wenn ich sehe wie meine Katze überfahren wird, kann mir der Fahrer des Autos erklären was er will – die Katze bleibt überfahren. Daran ist nicht zu rütteln.

Hier eine kleine Anekdote aus einem früheren Leben. Ein ehemaliger Arbeitgeber veranstalte regelmäßig interne Befragungen zu Entscheidungen und Strategien der Firma. Die Mitarbeiter sollten die Dinge bewerten. Irgendein zur Bewertung anstehender Punkt fiel bei der großen Mehrheit der Beschäftigten glatt durch. In der Folge wurde unendlich viel potentielle Arbeitszeit damit verbrannt, dass die Abteilungsleiter ihren Untergebenen die Sache ‘erklären’ sollten. Das wurde wörtlich so bezeichnet. Schon damals habe ich mich gefragt, wie man mir jetzt meine Meinung ‘wegerklären’ wolle.
Hat dann auch nicht funktioniert. Nicht nur bei mir.

Eine Antwort auf „Erklärbär“

  1. Na klar, deshalb nennt man diese Veranstaltungen ja auch “Meinungsaustausch”, .. eben zum Austausch der falschen Meinung gegen die Richtige ;). Da könnte man sich bei Wahlen vielleicht auch mal was überlegen :O

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