Ich sitze da so in diesem Wellnessdings und warte auf meinen Maniküretermin. Im Wartebereich liegt das aktuelle Darmstädter Echo, was schön ist. Wir hatten den Bezug dieser Publikation vor geraumer Zeit aus Zeitmangel aufgekündigt und ich fühle mich seitdem ein wenig von der lokalen Berichterstattung abgehängt.
Ich lese also.
Aus der Tiefe der Einrichtung kommt eine mittelalte Dame herangestoppelt. Das tut sie, weil verschiedene ihrer Zehen mit einer Art Abstandhalter versehen sind. Die Frau kann in den deswegen verwendeten sogenannten Flip-Flops nur noch eine Art Watschelgang aufführen.
Sie muss wohl warten (vielleicht auf Godot) und setzt sich neben mich, was nicht so schön ist.
Ihren Füßen entsteigen intensive olfaktorische Reize, die jeden Klebstoffschnüffler in Verzückung hätten verfallen lassen.
Mir wird ganz komisch im Kopf. So stelle ich mir das vor, wenn man diverse Einheiten Terpentin oral genossen hat.
Ich versuche mich weiterhin an der Lektüre der Zeitung, bis sich leicht pulsierende Kopfschmerzen einstellen. Ich kann nicht weg, bin doch gleich dran.
Aus der voluminösen Handtasche des Nagellackmodels ertönt ein gleichermaßen lauter wie schrecklich kindischer Mobiltelefonbenachrichtigungston.
Diese Art von tüdülü, bei der man sofort eine/n Zwölfjährige/n mit einem hippen Händie hinter der nächsten Ecke erwartet.
Eine große Wühlaktion in der Handtasche startet. (Wahrscheinlich ist jeder, aber auch wirklich jeder der vielen tausend Gegenstände darin un-be-dingt notwendig. Eher ist die Tasche noch zu klein – so viel Zeug musste zuhause bleiben!)
Nach einer Weile kommen die Schürfergebnisse ans Tageslicht. Ein Mobiltelefon und eine Brille.
Doch auch unter Zuhilfenahme von Zweiterer lassen sich die vermaledeiten viel zu kleinen (!) Zeichen auf Ersterem nicht deuten.
Ich denke kurz daran, beim Entschlüsseln der Nachricht behilflich zu sein, verwerfe den Gedanken aber gleich wieder. Man sollte nicht ungebeten in anderer Leute Privatsphäre eindringen. Außerdem ist mir noch immer ganz merkwürdig schwurbelig im Kopf.
Kapitulation. Die Frau wählt eine Nummer, nimmt das Telefon ans Ohr und spricht bei hergestellter Verbindung: ” Duhu, hast du mir grad eine Nachricht geschickt? – Nicht? – Okay, Schüssi!”
Sie wählt eine zweite Nummer.
Ich frage mich ob das noch normal, oder ein Ergebnis von jahrelangem Nagellackschnüffeln ist. Außerdem stelle ich mich auf eine lange Reihe von ähnlichen Gesprächen ein.
Aber mein stummes Flehen wird erhört. Auf einem Blitz kommt einer der apokalyptischen Reiter (Es ist der zweite. Der für Krieg und Gewalt und so.) hernieder und fällt die Frau mit seinem riesigen Schwert wie ein Bauer mit der Sense einen Getreidehalm. Schon der zweite Versuch ereilt den Absender der Nachricht.
“Hast du mir grad eine Nachricht geschickt? – Ach so! – Nein, ich bin nicht arbeiten, mir geht’s heute nicht so gut.”
Natürlich nicht, denke ich. Wenn du dir hier ungefilterte Verdünnung auf ex reinziehst, geht es dir sicher nicht so gut. Auf jeden Fall nicht gut genug um zur Arbeit zu gehen.
Ich hole Luft um ausfallend zu werden, muss dann aber der jungen Dame folgen, die mich nun zu meinem Termin ruft. Sie hat viele dunkle Locken und zeigt noch mehr Dekolleté. Ich weiß gar nicht wo ich hinschauen soll. Irgendwas war gerade noch…