Kuba, Tag 1; Frankfurt – Havanna
Kuba, Tag 2; Havanna
21.11.2009
Mit dem Bus ging es nach Westen. In die Provinz Pinar del Rio und dort ins Viñales-Tal.
Die Fahrt dauerte eine kleine Ewigkeit, deshalb vielleicht ein paar Dinge zum außerörtlichen Straßenverkehr auf Kuba. Dessen auffallendste Eigenschaft ist seine zeitweilige völlige Abwesenheit. Sprich: Mitunter fährt man kilometerweit ohne einem einzigen anderen motorisierten Gefährt zu begegnen. Auch und gerade auf der Autopista (Autobahn), die das Land der Länge nach durchschneidet. Dafür gibt es aber beispielsweise Pferdekarren. Und Radfahrer. Und Fußgänger. Auch mal Kühe. Auf der Autobahn, die mal zwei-, mal dreispurig und durchweg asphaltiert ist. Relativ häufig trifft man noch auf die weißblauen Busse (meistens relativ junge Modelle von Yutong) der staatlichen Unternehmen ‘transtur’ und ‘havanatur’. Mit denen werden die Touristen durch das Land kutschiert.
Wann immer Straßen die Autobahn auf Brücken kreuzen, findet man unter diesen Brücken Leute. Die wollen mitgenommen werden und warten geduldig. Unter den Brücken, weil es dort Schatten gibt. Der hilft zwar gegen die Hitze nicht viel denn es ist auch im Schatten heiß, aber mithin scheint einem die Sonne nicht direkt auf die Fontanelle.
Überlandbusse (alte gelbe Schulbusse aus Kanada oder noch ältere schmutzig-lädierte Modelle aus dem ehemaligen Wirtschaftsraum des Warschauer Paktes) waren selten und wenn man einen sah, war er rappelvoll.
Die Leute fahren also per Anhalter.
Die Touristenbusse dürfen vermutlich keine Anhalter mitnehmen, unser Fahrer hat es nie getan und auch sonst hab ich niemals einen Bus anhalten sehen. Trotzdem signalisieren viele der Anhalter den Fahrern ihren Mitfahrwunsch. Der Bus rauscht vorbei, der Arm geht runter. Wir schauen aus unserer erhöhten, klimatisierten Kabine auf die Leute herab. Welch Symbolik. Irgendwann in einem anderen Kontext erzählte die Reiseleiterin, dass die Touristenhotels grad auch bei den Lebensmitteln Zugriff auf die besten Sachen hätten. Den Kubanern bliebe dann eben der Rest. Ist schon ein komisches Gefühl wenn man dann da an den Leuten so vorbeifährt.
Aber Kuba wäre nicht Kuba wenn der Staat nicht für seine Leute sorgen würde. Oder es zumindest versucht. Und das geht so:
Die Nummernschilder der Fahrzeuge sind farbig, und zwar unterschiedlich. Diese Farben sagen etwas über den Eigentümer des jeweiligen Gefährts aus. Unser Bus hatte ein blaues Schild. Heißt: Er gehört dem Staat. Wie die meisten Fahrzeuge. Daneben gibt es noch gelb für private Fahrzeuge und rot für Leihwagen. Die restlichen Farben für Militär, Diplomaten etc. sind nach Zahlen wenig vertreten.
An manchen Stellen an den Straßen stehen Leute mit gelben, uniformähnlichen Hemden und halten Autos mit blauen Kennzeichen an. Ist in einem Auto noch Platz (ein sehr dehnbarer Begriff) und es findet sich unter den Anhaltern jemand der in die vom Fahrer angesagte Richtung mitgenommen werden will, dann fährt er da mit. Ob der Fahrer will oder nicht.
Diese Mitnahmeregelung beschränkt sich allerdings nur auf die staatlichen Fahrzeuge – und auch nur auf die, die keine Touristen befördern.
Das waren meistens Ladas älterer Baujahre, sowie eine ziemlich große Menge ziemlich aktueller Klein- und Kleinstwagen aus südostasiatischer Produktion.
Lada, Moskwitsch, Wolga & Co (wir haben sogar einen Wartburg 353 gesehen) halten eben doch nicht ewig. Irgendwann ist Schluß. Spätestens wenn man keine Ersatzteile mehr kriegt.
Unterwegs gab es eine kleine Pause bei einem traditionellen casa del tobaco (Tabakhaus). Das ist ein ziemlich schmuckloser Schuppen in dem die Tabakblätter zum trocknen aufgehängt werden.
Ich bin mir nicht sicher ob das Exemplar das dort neben Souvenirladen und Bar stand, wirklich genutzt wird oder lediglich zum beglotzt werden dient. Drinnen hingen hier und da ein paar Tabakblätter rum, insgesamt machte die Sache schon den Eindruck einer bloßen Zurschaustellung.
Vor dem Haus und im angrenzenden Tümpel vergnügten sich ein paar Schweine.
(Überall Touristen…bah.)
Die nächste Station war ein strategisch günstig gelegener Aussichtspunkt der einen schönen Blick ins Vinales-Tal bot. Dieses Tal war nicht immer ein Tal. Früher (in geologischen Zeitaltern betrachtet) lag unter der Gegend ein ausgedehntes Höhlensystem (10*4 km). Das brach irgendwann mal zusammen und hinterließ ein Tal mit aufragenden Kegelfelsen von bis zu 400 m Höhe. Und das konnte man von dort sehr gut sehen.
Die ganze Sache wurde 1999 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Aber schon vorher war die Gegend, bzw. die Provinz Pinar del Rio generell, der ganzen Welt bekannt geworden. 1962 fotografierte eine U-2 in der Nähe von San Cristobal Abschussvorrichtungen für sowjetische, atomar bewaffnete SS-4-Mittelstreckenraketen. Die Kubakrise begann. In diesem Kontext – hätten Che oder Fidel sich damals gegenüber den Russen durchgesetzt, wäre der Erstschlag von Kuba aus erfolgt. Die hätten liebend gerne ein paar strahlende Grüße in US-amerikanische Städte geschickt.
Weiterfahrt zum Mural de la Prehistoria. Das ist ein vom Mexikaner Leovigildo González Morillo an einen Kalkfelsen gemaltes Bild.
120 Meter hoch, 180 Meter breit, 1961 produziert (muss seither immer wieder nachgemalt werden, da sich die heftigen Niederschläge in der Regenzeit als Reinigungskräfte betätigen).
Der Künstler hatte seinerzeit Leute aus der Gegend an Seilen vor die Felswand gehängt und ihnen dann Anweisungen was wo wie zu bemalen sei, gegeben.
Die Sache war und ist nicht unumstritten, da man diese Felswand zunächst von Flora und Fauna befreien und einigermaßen glätten musste.
Das Bild besteht aus 12 Teilen und zeigt die Evolutionsgeschichte von Mensch und Tier.
Mittagessen gab es in einem Restaurant das direkt neben dem Eingang zu einer der zahlreichen Höhlen liegt.
(Mit angeschlossener Bananenplantage.)
Hühnchen. Schon wieder. Dazu Reis (schon wieder) und Salat. Hinterher je eine Scheibe Käse und eine bisschen Guavenpaste.
Dass irgendeins dieser Dinge noch ein böses Nachspiel haben würde, wusste ich noch nicht.
Nach dem Essen fuhren wir zur Indiohöhle (Cueva del Indio). In dieser Höhle wurden mal irgendwelche indianischen Artefakte gefunden, daher der Name.
Der Weg führte an allerhand bizarren Felsformationen vorbei, um etliche Kurven und über diverse ins den Stein gehauene Stufen.
Hier verabschiedete sich der Akku der Kamera. Diese hatte eine übertrieben optimistische Darstellung des Ladungszustandes ihrer Stromquelle vorgenommen. Weiter mit der Fotofunktion des Camcorders.
Durch einen Teil der Höhle hatte sich vor langer Zeit ein Bächlein seinen Weg gespült, das findige Touristenbespaßer aufgestaut hatten. Den Rest des Weges würden wir also in Booten (mit Verbrennungs-Außenborder) zurücklegen. Es entstand eine kleine Wartezeit da vor uns auch schon Leute waren und ein Boot nur eine begrenzte Anzahl von Leuten fassen konnte. Wir warteten also. Auf einem Felsen am Boden hockte ein kleines Kätzchen.
Genau, ein Kätzchen.
Ganz klein. Saß da, den Rücken den wartenden Touristen zugewandt, ließ sich fotografieren und machte einen eher mißmutigen Eindruck. Kein Wunder – in der Höhle war es feucht, kühl und es tropfte von der Decke. Nach und nach kriegte jeder diverse dicke Wassertropfen ab. Das Kätzchen nicht. Das kannte wohl den einzigen trockenen Platz und hatte ihn besetzt.
Warum auch immer es sich überhaupt in der Höhle aufhielt.
Dann kam ein freies Boot und der erste Teil unserer Gruppe wurde verschifft. Wir auch. Die eh…Fahrer/Kapitäne/Steuermänner/wasauchimmer an den Außenbordern leisteten ganze Arbeit bei ihrer Aufgabe, nicht an die Wände oder andere Boote (jeweils diverse Meter lang) zu stoßen. Zunächst fuhren wir noch ein wenig tiefer in die Höhle hinein, wendeten und steuerten dem Ausgang entgegen. Unterwegs erzählte der Steuermann ein bisschen was über die Höhle (Simultanübersetzung durch unsere Reiseleiterin) und beleuchtete (ein paar fest installierte Lampen sorgten für eine generelle, schwache Beleuchtung) mit seiner Taschenlampe immer wieder einzelne Felsen an Wänden und Decke die durch ihre Form irgendwas darstellen sollten. Ein Krokodil, eine Blume, eine Frau. Manchmal konnte man die angesagten Dinge erkennen, manchmal nicht.
Der angestaute Bach verließ die Höhle schließlich und brachte uns auch wieder ans Tageslicht.
Am Steg saßen zwei Kubaner und flochten Schalen aus schmalen und stabilen, aber biegsamen grünen Blättern. Um sie den aus den Booten kletternden Touristen zu verkaufen. Einer der beiden fragte auf spanisch oder englisch wo wir den herkämen. Nach erfolgter Antwort holte er einen schwarz-rot-gelben Schal mit den Insignien des DFB hervor, spannte ihn über dem Kopf, rief ‘Deutschland’ und freute sich.
Am Ausgang bzw. Ausfluß der Höhle gab es ein paar Hütten die allerhand Souvenirs feilboten. Der typische Kram den es überall auf Kuba gab. Soviel hatten wir schon festgestellt. Dazu später mehr.
Auf dem Weg zum Bus erbat eine eher abgerissene Frau von einigen weiblichen Gruppenmitgliedern Seife. Von mir nicht. Dabei hatte ich erst am Morgen geduscht und machte eigentlich schon den Eindruck, mich mit Seife und ihrem Gebrauch auszukennen. Dachte ich.
Auf der Rückfahrt wurde mir, je näher wir Havanna kamen, ganz komisch im Bauch. So übel-komisch. Zunächst dachte ich mir nichts dabei, im Hotel wurde die Sache dann aber Gewissheit. Da hat es mich dann, mit den Worten eines Mitreisenden aus Garmisch, durchgeputzt.
Ein schwacher Versuch, noch am Abendessen zu partizipieren und ein paar Löffel einer Tomatensuppe zu mir zu nehmen, wurde vom Verdauungstrakt nur mit einem höhnischen Gebrummel quittiert. In Magen und Darm kämpften irgendwelche Bakterien, der kubanischen Rebellenarmee gleich, gegen die natürliche Verdauungsfauna. Und wie auch bei der kubanischen Revolution gewannen die Rebellen.
Ein wenig bleich um die Nase wollte ich aber zumindest den Versuch unternehmen, den Buena Vista Social Club nicht zu verpassen. Nicht zuletzt, weil wir dafür 25 Pesos pro Person gezahlt hatten.
Zusammen mit einigen aus der Gruppe fuhren wir dazu mit einem Großraumtaxi zum Hotel Nacional wo die Sache stattfinden sollte. Es gab Platzanweiser und man musste ein bisschen anstehen und warten. Direkt neben Lüftungsöffnungen die, wie mir schienen, direkt aus der Küche des Hotels kamen. Mir war ja schon kotzübel, warum sich also nicht in Essensdunst stellen…
Nachdem wir einen großen Tisch bekommen hatten und extra früh da waren (das war so empfohlen), verschwand ich erstmal in den sanitären Einrichtungen. Die Sache wurde durch einen ständigen Brechreiz virulent und auch ansonsten ging es mir nicht so richtig gut.
Nachdem die Vorstellung auch eine Stunde nach dem angekündigten Beginn noch nicht angefangen hatte, beschloß ich, vielleicht doch lieber in unser Hotel zu fahren. Und mich ein bisschen hinzulegen.
Adios, 25 Pesos.
Und das wäre der Preis gewesen:
Draußen vor dem Hotel standen ein paar Bedienstete rum und schwätzten. Mein in englischer Sprache vorgetragener Wunsch nach einem Taxi belebte die Gruppe. Sie stoben auseinander, einer wandte sich zu den wartenden Taxen, klatschte in die Hände, pfiff und rief gleichzeitig etwas. Wie das eigentlich geht, weiß ich bis heute nicht
Ein Taxi kam, ich beschied dem Fahrer das Ziel und frug auch nach den zu erwartenden Kosten (5 Pesos).
Meine Position hinten rechts erlaubte mir einen Blick auf die Instrumente des Fahrzeuges, eines E-Klasse-Mercedes (W210, glaube ich). Der verfügte unterhalb des Tachos über eine Warnleuchte die die Aufschrift ‘SOS’ enthielt. Und diese Warnleuchte leuchtete. Dauerhaft. Mich, als Besitzer (oder auch Fahrer) des Fahrzeuges hätte das irritiert, meinem Fahrer war die Lampe egal.
Eine (vermutlich thematisch) ähnlich gelagerte Lampe in meinem letzten Renault Megane war in der Bedienungsanleitung mit der Aufforderung, sofort (!!!) anzuhalten und eine Werkstatt zu kontaktieren, beschrieben.
Hier bewegte der Fahrer sein Taxi ganz ruhig durch das nächtliche Havanna. Mir sollte es egal sein. War ja nicht mein Auto.
Wir passierten, wie schon mal bei Dunkelheit, das Revolutionsmuseum. Dort sah ich neben der Granma die Silhouette eines Mannes mit einem Barett umhermarschieren. Schon wieder so ein pseudo-Revolutionär, der dort für seinen Auftritt vor Touristen bei Tag übt, dachte ich.
Am folgenden Tag stellte ich dann fest, dass dort ständig mindestens ein Soldat zwischen den Exponaten rumlatscht und auf die Besucher aufpasst. Das ist vermutlich bei einer Ausstellung die unter freiem Himmel stattfindet und mit einem kniehohen Zaun umgeben ist, auch nachts nötig. Nicht dass sich noch irgendwelche Konterrevolutionäre an den Artefakten der Revolution zu schaffen machen…
Wieder im Hotel (ich war froh endlich zu meinem Bett zu kommen und gab 7 Pesos – der Taxifahrer freute sich) ging ich nach einem ausgedehnten Aufenthalt in der Nähe der Sanitärkeramik gleich ins Bett. Die meiste Zeit schlaflos und mir einen schnellen Tod wünschend.
Irgendwann kam die Gattin zurück und ich litt mit wenig Schlaf bis zum nächsten Morgen weiter.
Mithin habe ich den, umsichtigerweise neben meinem Bett bereitgestellten und ringsum geschlossenen, Papierkorb nicht benötigt.
Größere Teile des kommenden Tages würden sich für mich innerhalb des Zimmers abspielen.